Ortenauer Ritterschaft

Ritterhaus in Offenburg

Der Niederadel (Ritterschaft) war in der Ortenau reichsunmittelbar, also nur dem Kaiser unterstellt – im Gegensatz zum Breisgauer Niederadel, der Vorderösterreich zugeordnet und deshalb „landsässig“ war. Der Niederadel in der Ortenau war in der Ortenauer Ritterschaft organisiert, deren Direktorium noch 1803 von Kehl in das „Ritterhaus“ nach Offenburg (Abb. links) umzog, bevor die Ritterschaft 1806 endgültig mediatisiert (Baden einverleibt) wurde.

Von den Territorien der Ritterschaft grenzte nur die Herrschaft Rust direkt an den vorderösterreichischen Breisgau.

A: Schloss in Rust, B: Wappen Böcklin von Böcklinsau, C: Schloss Nonnenweier, D: Wappen Rathsamhausen

Rust: Die im Nordwesten an den Breisgau angrenzende Herrschaft Rust kam aus einem Lehen des Bischofs von Straßburg 1442 an die Familie Böcklin von Böcklinsau (A: Schlossneubau 1575, heute im Freizeitpark), die auch Mitbesitzer von Kehl waren. Böcklin von Böcklinsau: Die aus dem Patriziat der Stadt Straßburg stammende Familie gelangte im Elsass und der Ortenau zu Grundbesitz. B: Wappen: in Rot ein springender, gold-bewehrter silberner Bock („redendes Wappen“).

Nonnenweier kam 1663 von der Stadt Straßburg an die Familie von der Grün und 1698 an Rathsamhausen, die hier 1750 ein neues Schloss errichten (C: heute „Mutterhaus“ der Diakonissinnen). Rathsamhausen: altes, oberelsässisches Adelsgeschlecht aus dem gleichnamigen Ort bei Séléstat, mit einigen Ortsherrschaften im Elsass. D: Wappen: in Rot ein silbernes Schildlein mit einem grünen Querbalken, die Abb. stammt von der Stadtresidenz der Rathsamhausen in Straßburg. Grenzsteine siehe Unterelsässische Ritterschaft.

E: Schloss Altdorf, F: Wappen Türckheim

Altdorf: Die Ortsherrschaft wurde vom Bistum Straßburg und der Herrschaft Mahlberg als geteiltes Lehen an die unterschiedlichsten niederadligen Familien vergeben. Ab 1783 Kauf aller Lehen durch Türckheim und Anschluss an die Ortenauer Ritterschaft seit 1790 (E: Schloss 1784). Familie Türckheim: Wie die Böcklins Patriziergeschlecht der Stadt Straßburg mit Besitz im Elsass und der Ortenau. Wappen: Ein goldener Löwe in Blau in 1 und 4; in 2 und 3 auf Gold, durch schwarzen Balken getrennt zwei sechszackige Sterne (F: Abb. aus der Kapelle in Liel).

Orschweier: über mehrere Besitzer 1700 an Brandenstein, von denen es 1790 die Türckheim erwarben. Schon 1784 waren sie auch in den Besitz von Rohrdorf gekommen.

G: Schloss Schmieheim, H: Wappen Waldner von Freundstein, I: Wappen Berstett

Schmieheim war ein Kondominat (Teilherrschaft); daran Anteil hatten Böcklin von Böcklinsau (G: Schloss 1607), Hattstatt und schließlich im 18. Jahrhundert die Familien Waldner von Freundstein und Berstett. Waldner von Freundstein: altes, oberelsässisches Adelsgeschlecht von der gleichnamigen Burg südlich des Grand Ballon mit zahlreichen Ortsherrschaften im südlichen Elsass; Wappen: auf silbernem Grund drei Sandspitzen (Sinnbild für die Anhöhen, auf denen die Burg Freundstein errichtet wurde) mit jeweils einer roten „Merlette“ (heraldisch gestutzte Amsel als Hinweis für die im Kreuzzug besiegten Feinde) oben drauf (H: Abb. aus der Ausstellung „Waldner von Freundstein“, Mulhouse 2017). Berstett: ebenfalls altes elsässisches Adelsgeschlecht aus dem Elsass, das dem Patriziat in Straßburg angehörte und sowohl der unterelsässischen als auch der Ortenauer Ritterschaft angehörte; I: Wappen: in Silber ein zweischweifiger schwarzer Löwe.

J: Schloss „Philippshof“ Diersburg, K: Schloss [Rathaus] Berghaupten

Diersburg: 1455 an Roeder von Diersburg (J: Philippshof 1668), die aus Sasbachwalden stammten und zunächst im Elsass begütert waren. L: Wappen: In Rot ein weißer querfliegender Adler.

Berghaupten: bis 1634 bei den Herren von Geroldseck, 1699 an den kaiserlichen Rat von Schleyss aus Straßburg (K: Schloss 1788, heute Rathaus). M: Wappen: längs geteilt mit jeweils 10 gelb und blau wechselnden Streifen.

Meißenheim: 1464 von den Rathsamhausen an die Wurmser zu Vendenheim, ein altes unterelsässisches Adelsgeschlecht mit Besitzungen im Elsass (Vendenheim, Sundhouse) und der Ortenau. Im 18. Jahrhundert war Dagobert Sigismund v. W. ein bedeutender Heerführer in österreichischen Diensten. N: Wappen: ein geteilter Schild unten gelb, oben schwarz mit zwei liegenden weißen Halbmonden.

Herrschaft Binzburg: bestehend aus Niederschopfheim, Hofweier und einem Teil von Schutterwald: 1472 an Bach (O: Wappen: In Blau ein vierfach in silber und rot gestücktes Bockhorn mit goldenem Aufschlag [„Meerschnecke“]), 1538 an Cronberg (P: Wappen: in 1 und 4 in Silber 4 (2:2) blaue Eisenhütlein, in 2 und 3 Rot), 1600 an Dalberg. 1742 wurde die Herrschaft geteilt, Niederschopfheim kam an Frankenstein (Q: Wappen: in Gold ein schräggestelltes rotes Breitbeil („Mattenhau“) mit quergestellter rechteckiger Stielöffnung), Hofweier (mit dem Schutterwälder Teil) an Erthal (R: Wappen: 1 und 4 in Rot zwei silberne Balken, 2 und 3 Blau). Nach Zerstörung der namensgebenden Burg wurde die Herrschaft von Offenburg aus verwaltet.

Grenzsteine Ortenauer Ritterschaft:

A: Wappen der Bock von Böcklinsau von einem Besitz bei Kehl von 1615, heute im Hanauer Museum; B: Wappen der Türckheim vom Dreimärker Rohrburger Mühle (Türckheim)/Müllen(Reichslandvogtei Ortenau)/Altenheim (Nassau-Lahr) von 1785, heute am Heimatmuseum Altenheim. C: Wappen der beiden Inhaber des Kondominats Schmieheim, der Waldner von Freundstein und der Berstett, aus dem Herrschaftswald nahe der Grenze zu Kippenheim (Baden-Mahlberg); 
D: Kondominatswappen Bach/Cronstein aus dem 16. Jahrhundert, als die Herrschaft Binzburg 1538 durch Heirat der Erbtochter Bach an Cronstein kam, heute in einem Privatgarten in Friesenheim; E: Niederschopfheim/Hofweier mit dem Wappen der Frankenstein oben und dem Wappen Niederschopfheims (ein Schopf) unten, aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts; F: Hofweier/Niederschopfheim mit dem Wappen der Erthal oben und dem Wappen von Hofweier (Halbmond) unten aus dem 18. Jh.
Weitere Grenzsteine zeigen das alleinige Ortswappen ohne Bezug zu den (oft rasch wechselnden) Adelsherrschaften: G: das Wappen Niederschopfheims (in einem Waldgebiet, das im 19. Jh. Diersburg zugeschlagen wurde, das in den Händen der Röder von Diersburg lag, worauf „RvD“ hinweist) auf dem Dreimärker zu Berghaupten (Geroldseck) und Gengenbach von 1627; H: das Ortswappen Meißenheims (roter Ring auf goldenem Grund) an der Grenze zu Ichenheim (Baden, Herrschaft Mahlberg) 1750, heute in der Grenzsteinsammlung von Ichenheim; I: „A“ für Altdorf an der Grenze zu Seelbach (Hohengeroldseck) von 1750; J: das sprechende Wappen von Berghaupten (Kopf über einem hier nicht dargestellten Berg) gegenüber Bermersbach (Gengenbach) von 1737.

< Seite >

Literatur und Links:

Bayer, Josef und Bayer, Michael: Die alten Wappen-Grenzsteine in Hohberg, in: Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden, 67. Jahresband, Offenburg 1987

Kreutz, Gernot: Die historischen Grenzsteine im Gebiet der ehemaligen Reichsstadt Gengenbach, in: Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden, 61. Jahresband, Offenburg 1981

Braun, Hubert: Gengenbacher Adlersteine, Eigenverlag, Gengenbach 2012